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Restrisiko

2009

Restrisiko

zu Meeresfunden umgearbeitete Feuerlöscher der Marke „Gloria“
2009

Restrisiko

2009

Restrisiko

zu Meeresfunden umgearbeitete Feuerlöscher der Marke „Gloria“, Gipsfliese mit Seetangabdrücken auf Sockel, 38 x 38 x 75 cm
Auflage 6+1
2011

Sammlung

Feuerlöscher der Marke „Gloria“ wurden zu archäologischen Meeresfunden umgearbeitet. Durch die museale Präsentation werden sie als Teile einer untergegangenen Kultur inszeniert.

Die Reportagen nach dem 26. Dezember 2004 über die Opfer der Tsunami-Zerstörungen konzentrierten sich mehrheitlich auf Urlaubsziele. Als spontane Nachbilder dazu tauchten Vorstellungen von den obsolet gewordenen Brandschutzeinrichtungen der Hotels und Ferienanlagen auf.

Hintergrund

I
Brandmelder, Feuerlöscher und dergleichen sind ein mit den Urlaubern importierter Standard, der diese beruhigend anheimelt. Auch die Speckfalten der Angst sollen sich in Ruhe bräunen können.
Das Hängen der Feuerlöscher ist wegen der seltenen Nutzungsumstände vor allem als magischer Akt zu betrachten. Er dient auch dazu, die Vorstellung von anderen Katastrophen zu löschen. Feuer ist der Hansdampf in allen Gefahren. Seine Präsenz ist ambivalent: es brennt sich unmittelbar ein und läßt doch die Vorstellung offen, beherrschbar zu sein für warmes Wohlbefinden und Nahrungsbereitung. In jeder lodernden Pyrosphäre brennt auch der Glaube an die Kontrollierbarkeit.
Feuerlöscher sind die Souvenire der Gefahr. Die zu konsolidierende Erinnerung ist auf dem Löschgerät symbolisch abgebildet. Die kleinen Flammen auf diesen Piktogrammen ähneln mehr Kaminfeuer als Hausbrand. Als Gefahren-Bilder werden sie gesehen, wenn das Rettende schon in Reichweite hängt. 

II
Das paradiesische Strandleben verwandelte sich 2004 rund um den Indischen Ozean in ein Krisengebiet. Gut geschützt blieb man zuletzt schutzlos. Die Gefahr entstand unvermutet aus dem Element gegenüber: das nahe, wiegende Meer erhielt durch die plötzliche Entspannung einer Erdplatte vor Sumatra einen nicht vorhergesehenen, heftigen Impuls. Das dadurch entstandene Wellenpaket türmte sich in Festlandnähe auf und brach haushoch und mit großer Geschwindigkeit über die Küsten. Die Ruhe zuvor hatte sich nur als Pause zwischen zwei Katastrophen auf der geologischen Zeitskala erwiesen.
Sicherheit kann jederzeit ihr Restrisiko entladen als Folge kleiner Turbulenzen. Jeder Einzelfall schaut mit Erstaunen auf seine Theorie (und jede Theorie mit Entsetzen auf den Einzelfall).

III
Poseidon, Hauptgott von Atlantis, ließ es zu, dass die Nachfahren seines Sohnes Atlas mit ihrer Insel binnen 24 Stunden im Meer versanken. Platons Vorbild für die Beschreibung des Untergangs war vermutlich die griechische Stadt Helike 373 v. Chr. Auch dort wurde Poseidon kultisch verehrt. Die Anbetung einer göttlichen Schutzmacht als Risikovorsorge brachte keine Sicherheit.

Als in Folge des Erdbebens von Lissabon 1755, das einen Tsunami hervorrief, unter Anderem das königliche Allerheiligenhospital abbrannte, während das Hurenviertel verschont blieb, erhoben sich europaweit Klage und Spott über Allmacht und Güte des christlichen Gottes. Danach begann die seismologische Forschung und Entwicklung modernen Risikobewußtseins, um sich von solch höherer Instanz unabhängig zu machen.

Die Sicherheitsfürsorge wird heute erneut höheren Instanzen zugeschoben. Die Delegierung der Kontrolle an Dritte (TÜV, GOTT, Ministerium) ist Ausdruck vollständiger Sicherheitserwartung. Trägheit der Gedanken: Als die Stadt Alesund 1904 abbrannte, gab es nur einen Todesfall: eine alte Frau, die direkt neben der Feuerwache wohnte und sich dort vor Bränden sicher fühlte.

Vollständige Sicherheit ist ein neurotypisches Ziel der Befriedigungsforderung und bringt mit sich, dass Unsicherheit schwer ertragen werden kann.
Aus dieser Untragbarkeit heraus sind zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen heute nicht Ausdruck tatsächlicher Gefahr, sondern nur eines latenten Bedrohungsgefühls. Die Vorstellung möglicher Gefahren sind dabei ebenso maßlos wie das Sicherheitsbedürfnis.
Wer sich rettet, stirbt anders.
Erst bei eigenmächtiger Absicherung wird das Restrisiko wirklich kenntlich und maßvoll. Die Akzeptanz des Restrisikos ist ein wichtiger Anfang zur Bewältigung der Unsicherheit. So entschied zum Beispiel das Bundesverfassungsgericht in seinem „Kalkar-Urteil“ vom 8. August 1978, daß die Bevölkerung mit der Nutzung der Atomenergie ein „Restrisiko“ als sozialadäquate Last zu tragen habe.

Das modellhafte Ideal von Sicherheit behindert die Wahrnehmung von Verletzlichkeiten und Defekten. Das Modell der Erde ist z.B. prototypisch-ideal beschaffen; in seiner statischen Bestform Kugel steht der Globus greifbar da. Tatsächlich ist der Planet jedoch verformt, in Unruhe, heiß und dünnhäutig (Stärke der Erdkruste ca. 10 (Ozean) bis 70 km (Kontinent)). Die Wahrscheinlichkeit eines Bebens der Stärke 6,7 oder mehr bis zum Jahr 2032 liegt für die San Francisco Bay bei 62 %. (Quelle: Spiegel 1/2005)

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